Che Guevara 1961 in Havanna mit Fidel Castro. Foto: Alberto Korda (Museo Che Guevara, Havana Cuba) via Wikimedia Commons.

Was halten kubanische Jugendliche von Che Guevaras Gedankengut?

Auf dem Blog Dialogar von Cubadebate erschienen wichtige Behauptungen zum Leben von Ernesto Guevara de la Serna, weltweit als Che Guevara bekannt. Der Rückzug des Che begann in Kuba 1987, als Fidel ihm die große Abänderung des Revolutionsprozesses vorwarf. Sein Gedankengut wurde aus dem Lehrstoff und den Kommunikationsmedien zu Beginn der 80er Jahre entfernt, wurde aber schließlich von neuen Kubanern gerettet und während der gleichen Dekade wieder bekannt gemacht .Eines war klar: Der Che hatte viele Fehler gemacht. Hingegen nach dem Einhalt und dem korrigierten Verlauf der Konjunktur, der Wirtschaftskrise und der Lebensqualität in Kuba  sowie des Prestigeverlustes des weltweiten Sozialismus in der ersten Hälfte der 90er Jahre, wozu  1997 noch die Zurückführung aus Bolivien der sterblichen Überreste des Che kam, war die Lage anders.

Fidel und die konsequenten Revolutionäre versuchten die Fehler des Che vermehrt als Degen zur Verfechtung der aufkommenden dritten ganz allgemeinen Frage über die Zukunft des Landes zu benützen. Die erste betraf das Überleben, besonders während der beängstigenden ersten Hälfte des Jahrzehnts. Die zweite beinhaltete den Zweifel über die materielle Lebensfähigkeit des erreichten Existenzsystems. Die Auflistung günstiger Voraussetzungen,  über die Kuba verfügte, schien den getroffenen politischen und taktischen Maßnahmen zu Beginn des neuen Jahrtausends die erwartete Lebensfähigkeit zu sichern.

Die erwähnte dritte Frage hatte somit keinen Dringlichkeitscharakter mehr,  barg hingegen in sich doch weitgreifende Beeinflussungen wie: Welche Art von Lebensstil würde nach der Beantwortung der beiden ersten Fragen auftauchen? Der Che bestärkte unsere Erwartungshaltung für einen Sozialismus,  der fähig ist zu Selbstkritik zu stehen und sich zu erneuern.

Bereits hier setzten sich soziale Veränderungen im Bewusstwerden der Anzeichen einer allmählichen, kubanisch sozialen, langen Übergangszeit, die heute noch andauert, in Bewegung. Fidels Offensive zu Beginn des 21. Jahrhunderts gab vor, Ungleichheiten zu bremsen und den Sozialismus zu stärken. Eine schlimme Unzulänglichkeit war indessen das tatsächliche Aufgeben des Appels zur Verbreitung der wahren sozialen Maßnahmen im größten Teil des täglichen Lebens, in der Anwendung der Ideale des Sozialismus und des strukturierten Gedankenaustausches zum Aufbau und dessen nötige Begründung.  Im Jahr 2008 wurden die kritischen Skizzen des Che an der Wirtschaftspolitik heimlich veröffentlicht. Darauf bildete sich ein Kern Intellektueller, auch junger, welche mit der Verbreitung seines Werkes vorwärts schritten, jedoch ohne dass die Ideen des Che in Polemiken ausarteten oder provokativ wirkten.
In den letzten Jahren hat sich die Politisierung positiv entwickelt, auch im Ausdruck verschiedener Kriterien den Sozialismus betreffend. Doch den wahren sozialen Sinn eines Gedankens über “wie grundsätzliche Fragen in die Tagesordnung umzusetzen“ bleibt weiterhin aus.  Dabei sind Veränderungen unternommen worden, welche sogar für die Existenz des kubanischen Sozialismus entscheidend sein können,  da sich gleichzeitig aus dem Verlaufe der zwei letzten Jahrzehnte neue Tendenzen weiterentwickelten. Es wurden und werden wirtschaftliche Maßnahmen der einen oder andern Art ergriffen,  ohne dass ein Zuständiger in Wirtschaftspolitik konsultiert wurde. Ein entfleischter Pragmatismus gehört zur Regel, mit ein paar schönen Worten gesalzen, die wiederholen, dass im Namen oder für den Sozialismus gewirkt werde. Es existiert  aber eine Scheidung zwischen kritischen Überlegungen und den Sorgen, die revolutionäre Sozialisten ausdrücken – zu denen eine gewisse Anzahl Führungskräfte gehören – und zahlreiche Informationen und Meinungsaufsätze, welche in Staatsmedien publiziert werden, jedoch blind sind vor dem ihnen negativ Erscheinenden oder ihnen nicht Passenden. Zudem stoßen sie sich an Dingen, die einerseits nicht sind und anderseits nie waren.

Der Triumph von 1959 ging aus einem Revolutionskrieg hervor und war gleichzeitig eine radikale Politschule, in starrer und sturer Organisationseinigkeit, entschieden auf Macht ausgerichtet und vom selbstsichersten politischen Führer des kubanischen 20. Jahrhunderts, Fidel an der Spitze, welcher das Land zur möglichst hohen Option hinleitete: Durch eine sozialistische Revolution auf nationaler Ebene die hergebrachten sozialen und menschlichen Beziehungen und Institutionen abzuschütteln. Schon bald rief diese neu eingeläutete Epoche nach einer gewaltigen Erhöhung der intellektuellen Fähigkeiten der Bevölkerungsmehrheit, nach mehr Qualität, deren Inhalte und einem verbesserten Rollenspiel der Sozialpartner. Die praktischen Erfordernisse sollten den Antrieb geben; aber sie sollten bewusst organisiert werden. Die Erhöhung der Fähigkeiten und die politische Bildung waren unerlässlich,  denn erstmalig in unserer Geschichte verlangten die zu erreichenden Objektive eine  diszipliniert einzuhaltende Absichtsbereitschaft. Die politische und soziale Führung hingegen forderte zur Bewältigung der von Mal zu Mal komplexeren Aufgaben eine zunehmende Macht- und Kompetenzverteilung nebst einer wirksamen Planung und radikalen Kritik an der kapitalistischen Moderne und dem vorherrschenden sozialistischen Modell. Gleichzeitig galt es aber auch die durchgeführte Revolution zu überdenken und intellektuell die Eigenheiten der sich vorgestellten neuen Gesellschaft zu erarbeiten.

Kommen wir zurück zum jungen Helden Ernesto Guevara, einem der ausgezeichnetsten Nachfolger Fidels, der sich total mit dessen Ideen identifizierte, denn  ihm fiel die Rolle als Aufgabe zu, als Schöpfer des sozialistischen Gedankenguts der Revolution dieselbe für jedermann schmackhaft zu machen. Wobei diese in die Beziehungen mit allen an sozialistischen Ideen Interessierten innerhalb von Kuba und der damaligen Welt einfließen und sie verändern sollte.

Die vorausgehenden  Ausführungen, so scheint es mir, sind wohl weit ausgeholt, jedoch aussagekräftig genug,  um die im Titel enthaltene Frage zu beantworten. Auch erachte ich, dass  das Gedankengut des Che auch heute noch einiges zu bieten hat, nämlich:

  • Er war ein Referent sozialistischer Ethik und Politik ohnegleichen was Konsequenz, unverwüstliches Vorbild und sein heldenhafter Fall betreffen;
  • Er besaß Vertrauen in das „was trotzdem“ machbar ist und  „über den Dingen zu stehen“;
  • Er hinterlässt ein außerordentliches theoretisches Instrumentarium an Konzepten, Ideen, Hypothesen, Prinzipien, die Methode marxistischer Dialektik, welche der Che surrealistisch also über den kubanischen,  lateinamerikanischen und drittweltlichen Projekten und Konflikten  permanent anwendete;
  • Er übte eine marxistische Kritik an den Gesellschaftsformen und den Theorien sowohl des Kapitalismus als auch des Sozialismus aus;
  • Er war fähig, die für konkrete Analysen notwendigen Gedanken zu formulieren, was wir so dringend nötig haben;
  • Er hinterlässt die Hauptlinien eines Konzeptes, auf das man sich zur Arbeit an der dringenden politischen, ideologischen und kulturellen Bildung der Bevölkerung verlassen kann.

 

 

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